Montag, Jänner 29, 2007

Seine Mutter!

"Wer seine Mutter ehrt, der ist wie einer, der Schätze sammelt!" (Sir. 3. 5.)

Was ist das Edelste im Leben,
Was rührt ein Herz, wär's noch so kalt,
Und weckt ein sanftes Wonnebeben
In jeder Brust - bei Jung und Alt?
Nicht wahr, es ist die Lieb', die eine,
Die über alles stark und lind,
Die reich und rein und treu wie keine,
Der Mutter Lieb' zu ihrem Kind!

Was ist das Lieblichste auf Erden,
Läßt selbst den tränenfeuchten Blick
Noch wieder hell und heiter werden,
Gibt ihm der Hoffnung Glanz zurück?
Nicht wahr, es ist das Bild der Wonne,
Die alles Denken übersteigt,
Wenn - wie zum Knösplein sich die Sonne -
Zum Wieglein sich die Mutter neigt?

Was ist das Heiligste auf Erden,
Ergreift ein Herz, wär's selbst von Stein,
Daß weich es muß und milde werden,
und solchem Weh sein Mitleid weih'n?
Nicht wahr, es ist das Bild der Schmerzen,
Wie hehrer wohl man nie es sieht,
Als wo mit gramgebroch'nem Herzen
Am Kindessarg die Mutter kniet!

Und Die wie keine hat empfunden,
Was Mutter-Liebe, Lust und Schmerz,
Von Der noch heut' zu allen Stunden
Ein Abglanz jedes Mutterherz, -
für Die nur hast du keine Zähre,
Kein Lächeln, keinen Gruß als Lohn,
Ja, trenntest wohl - wenn's möglich wäre! -
Die Mutter noch von ihrem Sohn?

Die siehst du knien an Seiner Krippe,
Und bleibst Ihr dennoch fremd und fern,
Und dankst Ihr nicht mit froher Lippe,
Daß Sie gebar dir Christ, den Herrn?
Die siehst auf Goldatha du stehen
Bei Jesu Kreuz in tiefstem Schmerz,
Kannst ungerührt Sie weinen sehen,
Und tröstest nicht Ihr wundes Herz?

Was jeder Mutter wir erweisen
An Mitgefühl - Ihr weih'st du's nicht,
Magst froh Ihr Mutterglück nicht preisen,
Bleibst kalt, wenn fast das Herz Ihr bricht?
Ist's nie dir in den Sinn gekommen,
Ob das der rechte Glaube ist,
Der dir das Kindesherz genommen,
Der Gottes Mutter kalt vergißt!

O mach' dich los von einem Glauben,
Der Sohn und Mutter frevelnd trennt,
Es heißt, dem Sohn die Ehre rauben,
Wenn man der Mutter Wert verkennt!
Er selbst ließ durch Sein Wort uns sagen:
"Der, welcher seine Mutter ehrt,
Häuft Schätze sich, die überragen
Der größten Erdengüter Wert!"

Aus:
Anhang: Marienlieder für Alle, welche außerhalb der Kirche stehen, in:
"Marienrosen entsprossen zu Füßen uns'rer lieben Frau",
von Cordula Peregrina (C. Wöhler),
Münster in Westfalen, Verlag der Alphonsus-Buchhandlung. 1897.
Verlags-Archiv Immaculata-Verlag, CH-9050 Appenzell (Schweiz)

Freitag, Jänner 12, 2007

Die Unbefleckte Empfängnis

Maria, aller Frauen Preis und Kron',
Als Jungfrau tragend Gottes ew'gen Sohn,
Den Seine Lieb' und Deiner Reinheit Strahl
Vom Himmel zog in dieses Tränental, -
Maria, sei uns tausendmal gegrüßt,
Dein Mutterherz das herbste Los versüßt,
Dein Name ist wie heil'ger Glockenton,
Der in der Welt uns singt vom Himmel schon.
Du - makellos und sündenrein empfangen -
Des Himmels Lust, bist auch der Welt Verlangen.

Maria, sieh' zu Dir den Sünder flieh'n;
Hilfst Du ihm nicht, wo ist noch Heil für ihn? -
Verdammen muß ihn Gottes Strafgericht,
Fleht mild Dein Mund für ihn um Gnade nicht;
Doch legst beim Sohn für ihn Dein Wort Du ein,
So wird Er ihm die ganze Schuld verzeih'n.
Du, die der Schlange stolzes Haupt zertritt,
Hiflst gern fürwahr zum Heil des Sünders mit.
Du - makellos und ohne Schuld empfangen, -
Kannst Alles uns vom ew'gen Sohn erlangen.

Maria, hör'! zu Dir die Unschuld fleht,
Stärk' sie zum Streit, daß sie ihn gut besteht,
Und schätz' sie vor des Feindes Wut und List,
Die Du der Trost der reinen Seelen bist!
Zu Dir auch flieh'n, die ganz sich Gott geweiht,
Statt Erdenpracht gewählt das Ordenskleid;
Du bist die Herrin dieser sel'gen Schaar,
Die einst dem Lamm dort folgen immerdar.
Du - sündenrein und unbefleckt empfangen, -
Mögst ihnen Treu' bis in den Tod erlangen!

Maria, sieh'! die schwer von Not geplagt,
An deren Brust der Gram, die Sorge nagt,
Sie flieh'n zu Dir mit allem Weh und Schmerz,
Ihr liebster Platz Dein schwertdruchbohrtes Herz!
Du kennst das Leid, wie keiner es gekannt.
Du bist vom Sohn zur Mutter uns ernannt.
D'rum hast auch Du für alles Weh der Welt
Ein Mutterherz, das stets uns aufrecht hält.
Du - sündenrein und makellos empfangen -
Wirst jederzeit uns Kraft und Trost erlangen.

Maria, sieh'! wie heiß die Träne fließt,
Die Wittwengram und Waisenweh vergießt,
Du weintest auch einst um die Eltern Dein,
Und Josefs Tod ließ Dich so ganz allein!
Du weißt, was so ein armes Herz bewegt,
Dess' Liebstes man zum stillen Fridhof trägt;
So mög' Dein Schutz mit all' den Armen geh'n,
Die tiefgebeugt an teurem Grabe steh'n.
Du - unbefleckt und ohne Schuld empfangen -
Heilst alles Weh und stillst das schwerste Bangen.

Maria, sieh'! wie sich die Armut müh't
Um's trock'ne Brot, wie heiß die Träne glüht,
Weil Sorge bang' am kranken Herzen nagt,
Und Hunger lang' den matten Leib schon plagt.
Einst halfst Du einem armen Hochzeitspaar:
"Ihm fehlt's an Wein!" - Dein Wort zum Sohne war. -
Ach, wo das Brot so vielen Armen fehlt,
Ihr Herz allein auf Deine Hilf' noch zählt.
Du - sündenrein und unbefleckt empfangen -
Wirst Hilf' und Heil vom Sohn für sie erlangen.

Maria, hör' der Kranken Weh und Ach!
Sie leiden schwer, - der Leib ist wund und schwach,
Die Seele möcht' in Bangen schier vergeh'n,
Der kranken Heil bist Du, - o hör' ihr Fleh'n!
O, richt' sie auf mit Deiner Mutterhand,
Die so viel Wunden liebreich schon verband,
Und wenn Genesung ihrer Seele frommt,
Hilf, daß ihr Leib auf's neu' zu Kräften kommt.
Du - makellos und sündenrein empfangen -
Kannst volles Wohl vom Sohn für sie erlangen!

Maria, hilf den Sterbenden zumal,
Steh' ihnen bei in banger Todesqual,
Du machtest leicht Sanct Josefs letzte Not,
Du stand'st am Kreuz bei Deines Sohnes Tod;
So stärk' auch uns im letzten, schweren Streit,
Den Sterbenden steh' muttermild zur Seit',
Und führ' sie ein - sobald ihr Auge bricht, -
An Deiner Hand zum ewig sel'gen Licht!
Du - unbefleckt und sündenrein empfangen -
Laß uns im Tod zu Gottes Thron gelangen!

Maria, blick' vom gold'nen Himmelssaal
Hernieder in dies arme Tränental.
Und Alle, die vertrauend zu Dir fleh'n,
Laß jederzeit Dein mild' Erbarmen seh'n!
Du bist von Gott für uns're arme Welt
Zur Trösterin der Trauernden bestellt,
Sollt'st lindern uns'rer Leiden schwere Last,
Und führen uns zur ewig wahren Rast!
Du - unbefleckt und sündenrein empfangen -
Wirst - was uns not - für Leib und Seel' erlangen.

Maria, makellose Königin,
Nimm unser Herz denn als Dein Eigen hin,
O, daß sich's nie von Deiner Lieb' mehr trenn',
Kein größer' Glück, als dir zu dienen kenn'!
Dein Leben soll' des unser'n Vorbild sein,
Dir wollen treu wir bis zum Tod uns weih'n,
Bis einst an Deiner mütterlichen Hand
Wir fröhlich zieh'n in's ew'ge Vaterland,
Und dort durch dich, die unbefleckt empfangen -
Willkommensgruß vom ew'gen Gott erlangen.

Cordula Peregrina (C. Wöhler)
Aus: "Marienrosen entsprossen zu Füßen uns'rer lieben Frau",
Münster in Westfalen, Verlag der Alphonsus-Buchhandlung 1897.

Montag, Jänner 08, 2007

Krippe und Altar

Oberhalb des Marktes Schwaz in Tirol liegt auf einem Bergvorsprung das alte Schloß Freundsberg. Noch steht wohlbehalten und bedacht der hohe, starke Turm und ein Teil der Ritterburg, in welchem ein kleines Wohnhaus sich befindet. An dieses angebaut ist auch eine gar liebe Kapelle, wo das heiligste Sakrament aufbewahrt wird. Hierher hatte nun vor wenigen Jahren die "Misericordia Domini", die Barmherzigkeit Gottes, ein Menschenkind hoch vom nördlichen Deutschland herabgeführt, nachdem sie es aus dem Dunkel und Dämmerscheine der Irrlehre an das helle Tageslicht katholischer Wahrheit gezogen.
Dort auf Freundsberg, inmitten einer braven Handwerkerfamilie, hatte das Menschenkind Herberge genommen in unmittelbarer Nähe unter einem Dache mit dem Herrn des Himmels und der Erde, der ebenfalls dort im Kirchlein seine Wohnung aufgeschlagen. Und dort nun ist dieses Büchlein entstanden. Was der betrachtenden Seele in stiller Stunde das ewige Licht von dem Herrn im heiligen Tabernakel erzählt hat, hat sie hier aufgeschrieben sich selbst und anderen Menschen zu einem Behelfe und gutem Troste! Es erzählt von der Liebe des ewigen Wortes, das Fleisch geworden ist und unter uns gewohnt hat und noch immer wohnt.
Es ist eine bekannte Thatsache, daß Konvertiten, zumal in der ersten Zeit nach ihrer Rückkehr zur katholischen Kirche, unter allen Geheimnissen das des hochheiligsten Altarssakramentes am lieblichsten finden, und ihm ihre wärmste Aufmerksamkeit schenken. Kein Wunder! Die armen Protestanten haben ja von Christo nichts als sein gedrucktes Wort. Je gläubiger sie indes dies Wort aufnehmen, desto mehr werden sie sich sehnen nach ihm, der "umherging und Gutes that", und desto mehr müssen sie sich verlassen fühlen, weil sie ihn, der in der Geschichte der heiligen Evangelien leibt und lebt, nicht mehr auf Erden finden.
Sie sind und fühlen sich verwaist trotz des treuen Wortes, das sie von ihm in der Bibel lesen. "Ich will euch nicht als Waisen zurücklassen." So müssen sie nach ihm dürsten, nach seiner heiligen Nähe schmachten, ihn suchen mit dem Herzen. Aber ihr armer Glaube zeigt ihn nirgends auf Erden.
Allein von dem Augenblicke an, wo sie zur Wahrheit der katholischen Kirche zurückgekehrt sind, wo sie, von ihr geführt, zum Altare kommen, wo sie das erste Mal mit vollem Glauben hören und verstehen. "Sieh' da das Lamm Gottes, welches hinwegnimmt die Sünden der Welt!" da wird ihr Sehnen gestillt, da fühlen sie sich daheim, da empfinden sie die Nähe des erbarmungsvollen Herzens, das alle Mühseligen und Beladenen zu sich ruft zu freundlicher Erquickung; da kann Herz zu Herz und Mund zu Mund sich aussprechen und das Auge sich in Dank und Liebe ausweinen vor ihm, der sie von Ewigkeit geliebt und erbarmend an sich gezogen.
Da ist nicht mehr bloß toter Buchstabe, der vom Herrn erzählt, ist nicht mehr bloß ein stummes Bild, das den abwesenden Heiland bedeutet; da, in dem "Gezelt Gottes unter den Menschen", ist er selbst, Jesus Christus, ist er ganz und wahr und wesenhaft im vollsten Leben zugegen. Noch mehr, hier im heiligsten Sakramente finden sich alle die einzelnen Geheimnisse seines Lebens nicht etwa nur im Bilde, sondern sie erneuern sich, setzen sich fort wirklich und wesenhaft und in voller Wahrheit, und es fügt dies heilige Sakrament denselben neue Züge voll Anmut, Liebreiz, Mannifaltigkeit und Menschenfreundlichkeit hinzu.
Hier erneuert sich seine Menschwerdung. In seiner ersten Herabkunft wurde er das Geschenk für die ganze Welt; hier auf dem Altare wird er das Geschenk für jede einzelne Seele. Dort wie hier ist er ein verborgener Gott, aber während in der Menschwerdung nur die Gottheit sich verbarg, ist hier in noch größerer Entäußerung sogar die Menschheit verschleiert. Wollten wir endlich alle die Wunder berücksichtigen, welche in der unbegreiflichen Vereinigung der zweiten göttlichen Person mit der menschlichen Natur stattgefunden, so würden wir ähnliche in der geheimnisvollen Wandlung des Brotes in den Leib des Herrn entdecken.
Hier erneuert sich sodann die Geburt des Herrn in geheimnisvoller Weise: "Das Kind", sagt Peter Faber, "wird in Bethlehem geboren, dem Hause des Brotes, und zwar geboren in einer Krippe, wie um anzudeuten, daß es die Nahrung des Menschen sein sollte. Der Altar und die Krippe bieten zu viele Vergleichungspunkte dar, als daß es nötig wäre, sie besonders hervorzuheben. Die Windeln von Bethlehm sind die Gestalten der Hostie. Die Wandlung in der Messe entspricht dem Geheimnis der Geburt, und die verschiedenen Dienstleistungen seiner Priester, die seinen anbetungswürdigen Leib vertraulich berühren, sind eben nur so viele Erinnerungen der mannigfaltigen Dienste, die er aus den Händen seines Nährvaters, des heiligen Joseph zu empfangen sich herabließ, so daß wir, wenn wir zuerst über das eine und dann über das andere dieser Geheimnisse nachdenken, denselben Gedankengang in unserem Geiste und dieselben Gebete auf unseren Lippen finden."
Hier setzt sich ferner das Leben des Gottmenschen im stillen Häuschen zu Nazareth fort. Zwei Dinge kennzeichnen das Jugendleben des Heilandes, insoweit es nach außen getreten: Verborgenheit in armer Hütte, und Gehorsam gegen seine Eltern. Und derselbe Heiland, wie tief verschleiert, wie still gehorsam ruht er nicht im heiligsten Sakramente! Aber das innere Leben, das Leben seines Herzens, die Anbetung seines Vates, und die Liebe zu den Menschen, ist hier gleichsam vertausendfacht, nach der Zahl der Altäre, auf welchen er in heiliger Hostie zugegen ist.
Hier setzt er auch die Lehren, die Wunder, die Beispiele seines öffentlichen Lebens fort, mit dem Unterschiede, daß sie hier nur dem Glauben wahrnehmbar sind, dort aber auch den Blicken und dem Gehöre des Leibes zugänglich waren. Er ist ja im heiligsten Sakramente noch ganz derselbe, von dem ein Augenzeuge berichtet hat: "Er zog herum und that Gutes." Jawohl - Gutes thun im verborgenen, das ist das ganze Geschäft des Herrn in der Hostie. Hier heilt er Kranke, tröstet er Betrübte, erleuchtet er Blinde, nährt er die gläubige Volksmenge mit dem Wunderbrote; hier verzeiht er den Reuigen, belehrt er die Unwissenden, ermutigt er die Zagenden, hier leuchtet das Beispiel seines Seeleneifers, seiner Sanftmut, seiner Demut, wenn möglich, in noch helleren, gewiß aber in noch rührenderen Zügen als selbst in seinem sichtbaren Wandel auf Erden.
Hier setzt er vor allem das Geheimnis seines Leidens und Sterbens fort. Hier ist dasselbe heilige Mahl, das er am Vorabende seines Todes den Jüngern bereitet und ausgeteilt, hier ist derselbe Priester, dasselbe Opfer, wie auf Golgatha. Auch das Sterben geht hier vor, und zwar mehr als im bloßen Bilde, in tiefverborgener geheimnisvoller Weise, wenn der Priester durch das Schwert des Wortes in unblutiger Trennung den Leib und das Blut des Herrn sondert. (Gregor v. Naz.)
Endlich führt der Herr im heiligsten Sakrament auch ein verherrlichtes Leben im Himmel. Es ist ja der verklärte Leib, den wir gegenwärtig anbeten auf unseren Altären. Und wenn der Apostel von dem Heilande im Himmel sagt: er lebe dort, "um immerdar fürzubitten für uns", gilt dies nicht ganz genau von seiner stillen Thätigkeit auf dem Altare? Ist es nicht ein ununterbrochenes Gebetsleben, das er hier führt? Und läßt er nicht auch hier seine Auserwählten schon im vorhinein trinken von dem Strome himmlischer Wonne, beseligender Entzückung?
So hat sich denn der Herr in der That seiner Kirche im Altarssakrament hingegeben mit der ganzen Fülle seines Seins, seiner Gnaden, seiner Liebe. Wie die sieben Grundfarben sich zu dem einen weißen Sonnenstrahl vereinen, in ihm sich verschmelzen, umwandeln, verbergen, so haben sich die sieben großen Geheimnisse des Gottmenschen, die Menschwerdung, die Geburt, das verborgene Leben in Nazareth, das öffentliche Leben, Leiden und Tod, die Auferstehung und die Verherrlichung im Himmel in dem einen größten Geheimnisse, im Sakrament der Liebe, im Denkmale seiner Wunder, vereint, verschmolzen und verborgen.
Und wie nun die Sonne am Himmel hinzieht durch den Kreis und Umlauf des Erdenjahres, so wandelt und wandert die Geistessonne, das hochheiligste Sakrament mit seiner Glut, mit seinem Leuchten, hindurch im Festkreise des Kirchenjahres. Wie von ihm aus bis in die äußersten Kreise des Lebens der Strom der Gnaden geht, so kehrt auch das kirchliche Leben von seinen äußersten Verzweigungen wieder zu ihm zurück. In der heiligen Messe konzentriert sich dies ganze gottesdienstliche Leben der Kirche. Wem gelten denn nun die Gebete, die Gesänge, die hohen Gedanken und Empfindungen mit ihren eigentümlichen Färbungen, welche die Kirche in den Tagen der heiligen Weihnacht, der Karwoche, der Ostern und der Pfingstfeste zur Zeit der Meßfeier darbringt? Wem denn anders als ihm allein, der in der heiligen Hostie bleibt und lebt, Christo, gestern und heute derselbe! So wird in der That der "Festkreis des Kirchenjahres von dem Sehnen in dunkler Adventsnacht bis zum hellen Osterjubel, bis zum sonnendurchleuchteten Pfingstmorgen nichts anderes, als diese ewige Gegenwart, ewige Menschwerdung, das stete Lehren, Leben, Leiden, Sterben und Auferstehen des Herrn in seiner Kirche, den gesamten Gottesdienst durchdringend, in welchem so die große That der Welterlösung immer aufs neue lebendig und wahrhaftig vor den Augen der christlichen Gemeinde sich vollzieht." (Hettinger, Apologie.)
Es wäre gewiß ein vedienstvolles Unternehmen, alle diese wundervollen Beziehungen, die Erinnerung und Fortsetzung der sieben großen Abschnittte des Lebens Jesu im heiligsten Altarssakramente durch eine gediegene Schrift darzuthun; es würde ein solches Buch gleichsam ein fünftes Evengelium, das Evangelium des Altarssakramentes werden. - Soviel ich weiß, ist ein solches Werk noch nicht verfaßt worden, wenigstens kenne ich keines in einer auch dem gläubigen Volke faßlichen Darstellungs- und Sprachweise.
In dem vorliegenden Buche von C. Wöhler ist damit aber ein Anfang gemacht. Es ist darin Eines der sieben Geheimnisse, wohl das lieblichste und zarteste von allen, das Geheimnis der Geburt mit Berührung zweier anderer, nahe liegender Geheimnisse in seiner Beziehung zum heiligsten Sakramente dargetahn; es erzählt uns, wie das Kindlein von Bethlehem sein Leben und Wirken erneuert und fortsetzt im heiligsten Geheimnisse des Altares. Indem sich diese Betrachtungen eng an die kirchliche Reihenfolge der Feste vom ersten Adventssonntage bis zum Feste der Lichmesse anschließen, stehen sie auf dem festen, fruchtbarsten Boden des kirchlichen Gottsdienstes. Indem sie aber ausgehen von der Teilnahme und dem Mitleben, welches das gläubige Volk in Tirol zu diesen gottesdienstlichen Festlichkeiten mitbringt, beruhen sie auf dem interessanten, lebendigen, beweglichen Boden des Volkslebens, werden dadurch dem Volke selbst verständlich, wirken anregend, zum Nachdenken auffordernd, und dienen zur Weckung jener Seelenstimmung, welche das gläubige Gemüt dem Festkreise der Weihnachten entgegenbringen soll, um innerlich gehoben, erfreut, beseligt zu werden durch die Geburt des Herrn. Beides aber, Kirchenleben und Volksleben in heiliger Advents- und Weihnachtszeit führen auf den Einen Gegenstand katholischer Liebe, auf das Kindlein in der Hostie hin, sowie sie beide von ihm ihr schönstes Licht, ihre süßeste Verklärung und ihre gottgefällige Heiligung finden. -
Darum wünsche ich dem Buch Glück auf seiner Reise, freundliche Aufnahme bei zahlreichen gläubigen Herzen, den Lesern des Buches aber gelte der apostolische Wunsch, daß sie wachsen in Gnade und in Erkenntnis unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi, dem Ehre sei jetzt und in den Tagen der Ewigkeit. Amen. (II. Petr. 3,18.)

Am Feste des seligen Petrus Canisius 1880, P. Fr. Hattler S.J.
VORREDE zum Buch: "Krippe und Altar oder Weihnachten in der Eucharistie" - Betrachtungen von C. Wöhler. Sechste, verbesserte und vermehrte Auflage. Mit oberhirtlicher Druckgenehmigung. Regensburg 1902. Verlagsanstalt vorm. G. J. Manz Buch- u. Kunstdruckerei, A.-G. München-Regensburg. Archivexemplar des Immaculata-Verlags, Appenzell, Schweiz. Transkription von P.O. Schenker